Seit dem Schuljahr 2019/20 hat das Luise-Henriette-Gymnasium es sich zum Ziel gemacht, durch regelmäßige Gedenkstättenfahrten nach Auschwitz zur Aufrechterhaltung der Erinnerung an die Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur beizutragen. An unserer ersten Fahrt im Februar diesen Jahres nahmen somit 15 SchülerInnen und zwei Lehrkräfte teil. Unsere Erlebnisse und Gedanken haben wir in diesem Bericht zusammengefasst. Eine Fahrt, die in Erinnerung bleibt, wie das Geschehene selbst.

Vorangegangen war eine sechsmonatige Vorbereitungsphase im Rahmen der AG Gedenkstättenfahrt, bei der insbesondere das Thema „Holocaust“ „Aufarbeitung der Verbrechen der NS-Dikatur“ im Fokus stand. In diesem Zusammenhang besuchten wir außerschulische Lernorte, nahmen an einer Stolpersteinverlegung in Friedenau teil, führten Zeitzeugengespräche mit Überlebenden aus den USA (Holocaust Reconciliation Project) und versteckten Personen hier in Berlin (Blumenstraußprojekt) oder luden das „PolenMobil“ ein, dessen Referenten uns auch die polnische Kultur und Sprache näher brachten. In diesem Zusammenhang unterstützte uns auch der Newsletter der Senatsverwaltung, welcher regelmäßig über besondere Projekte informierte.

Ein großer Dank geht an die Organisatoren von EVR Reisen, die uns tatkräftig bei der Planung der Gedenkstättenfahrt unterstützt haben. In diesem Zusammenhang ist ein gelungenes Programm entstanden.

Gut vorbereitet begann unsere Reise nach einem einstündigen Flug am 17.02.2020 in Krakau. Wir haben uns für einen Flug entschieden, um unser Programm von vier Tagen in Krakau zu intensivieren. So war es möglich, zwei Tage für den Besuch der Gedenkstätte Auschwitz einzuplanen.

Für den ersten Tag (17.02.2020) war jedoch die Besichtigung Krakaus eingeplant. Unsere Stadtführung zeigte uns nicht nur das historisch gewachsene Krakau, sondern brachte uns auch an verschiedene Schauplätze des Nationalsozialismus und der jüdischen Geschichte der Stadt. Der Besuch des jüdischen Viertels, des jüdischen Friedhofs und der Remuh-Synagoge hatten bleibende Eindrücke hinterlassen.

Der 18. und 19.02.2020 waren ausschließlich dem Besuch der beiden Vernichtungslager Auschwitz I und II vorbehalten. Hier haben wir neben Führungen durch die beiden Lager auch einen Workshop eingeplant.

Am 18.02. besuchten wir das Stammlager Auschwitz I, im heutigen Oświęcim. Die hier gewonnenen Eindrücke machen bis heute nachdenklich.

Bereits im Vorfeld wussten wir, von den Bergen an Koffern, Haaren, Brillen und Zähnen. Wie würden wir mit diesen Bildern umgehen? Wie würden wir als Deutsche an diesem Ort angesehen werden? Wie würde jeder Einzelne auf das  Gesehenen reagieren? Unsere Begleitung Silvia, eine polnische Lehrerin aus Oświęcim, hat uns jeden Freiraum des Gedenkens und Erinnerns gegeben. Es war ein ruhiger Tag, den wir in abendlichen Reflexionsgesprächen und Diskussionen ausklingen ließen.

In diesem Kontext möchten wir uns bei Silvia bedanken. Mit viel Herzblut, Empathie und Hintergrundwissen hat sie einen besonderen Zugang zu unseren SchülerInnen gefunden, die interessiert und bewegt waren. Vor allem kleine Passagen aus literarischen Werken jener Zeit veranschaulichten diesen Ort mit allen seinen Gräueltaten. Neben der „Vernichtungsmaschinerie“ wurde uns eindrücklich das „Leben“ im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau vor Augen geführt.

Am darauffolgenden Tag besuchten wir das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Zwei Zitate bleiben wohl für alle in Erinnerung: „Sie betreten nun den größten Friedhof der Welt!“ „Bitte beachten Sie, dass Sie auf Asche laufen.“ „Bitte gehen Sie nur auf den ausgewiesenen Wegen!“  Mit diesen Worten begann diese Führung durch das größte Vernichtungslager.

Da wir am frühen Morgen die einzigen Besucher waren, waren wir überwältigt von den hier vorzufindenden Dimensionen des Lagers. Silvia bot uns wieder den Freiraum für unsere Gedanken und lies uns Zeit ihre Ausführungen zu verarbeiten. Bewegt waren wir von der Besichtigung der Baracken, in denen sie von den Schicksalen verschiedener Personen oder Personengruppen berichtete. Im Fokus stand auch die Darstellung der Vorgehensweise des Vernichtungsapparats.

Die Veranschaulichung dieser „Methodik des geplanten Massenmordes“ machte unsere SchülerInnen sprachlos, sei es in der Anordnung von Gebäuden, die der Vernichtung dienten oder der sogenannten „Sauna“, dem ersten Gebäude, das von den nicht sofort getöteten Gefangenen durchlaufen werden musste.

Am Nachmittag besuchten wir einen Workshop im Stammlager I.  Hier wurde das Leben der Roma und Sinti während des Holocaust und das Überleben in Auschwitz thematisiert. An Einzelschicksalen konnten wir nun viele von uns besuchte Stationen rekapitulieren.

Am späten Abend kamen wir zurück in unser Hostel in Krakau. Die Fahrt war an diesem Tag besonders ruhig, da jeder erschöpft war von den gesammelten Eindrücken und versuchte seine/ihre Gedanken zu ordnen. Trotzdem fanden sich nach dem Essen alle zusammen, um gemeinsam zu diskutieren und sich auszutauschen.

Am Donnerstag (20.02.2020) besuchten wir am Vormittag das Jüdische Museum in Krakau. Ergreifend war die hier gezeigte Ausstellung über die Vernichtung jüdischen Lebens in Polen während des NS. Noch mehr waren wir jedoch von dem 90-minütigen Zeitzeugengespräch mit einer älteren Dame bewegt, die als Kind von Roma und Sinti in Polen aufgewachsen ist. Ihr Schicksal und das ihrer Familie machten uns wieder einmal sprachlos. Die SS überfiel im Jahr 1942 ihr Dorf und tötete fasst alle Einwohner. Von ihrer Familie überlebten nur sie und ihre Großmutter. Nach dem Krieg engagierte sich die Dame bei der Versöhnung mit den Deutschen.  Ein wichtiges Wort, welches immer wieder von ihr wiederholt wurde, war „Vergebung“. Trotzdem hatten viele SchülerInnen die Frage, woher sie die Kraft aufgebracht hat, die Ermordung ihrer gesamten Familie zu verarbeiten und zu verzeihen.

Nach einem Mittagessen besuchten wir am Nachmittag das jüdische Ghetto und die ehemalige „Schindler-Fabrik“. Im Rahmen der AG wurde bereits der Film „Schindlers Liste“ geschaut, so dass wir hier einige Szenen aus dem Film wiedererkannt hatten. Die Ausstellung in der Schindler Fabrik bezog sich vor allem auf die Geschichte Krakaus während des Nationalsozialismus. So konnten wir auch mithilfe dieser Ausstellung bestimmte Erlebnisse nachvollziehen.

Am Freitag, dem 21. Februar, flogen wir zurück nach Berlin. Insgesamt war unsere Gedenkstättenfahrt eine gelungene Fahrt mit besonderen Rahmen. Die Exkursion hat uns viel Stoff zum Nachdenken gegeben. Wir sind froh, dass wir uns mit diesem wichtigen Teil der deutschen Geschichte so ausführlich auseinandersetzen durften. Geplant ist, die Fahrt im Zwei-Jahres-Rhythmus durchzuführen. Dass diese Fahrt positiv bei den Schülern/innen aufgenommen wurde, zeigen die Anmeldezahlen für die nächste Fahrt. Bereits mehr als 20 Schüler wollen teilnehmen. Es freut uns, dass Jugendliche Interesse an der Thematik finden und nicht den Austausch mit Zeitzeugen scheuen. Auch die SchülerInnen der vergangenen Fahrt würden gerne an weiteren Veranstaltungen zur Thematik teilnehmen. Geplant ist ein Workshop im Haus der Wannseekonferenz.

Ein großer Dank geht auch an den Veranstalter EVR Reisen, der eine exzellente Organisation geleistet hat. Wir bedanken uns auch bei der Senatsverwaltung für Jugend, Bildung und Familie, welche diese Fahrt finanziell unterstützt hat.

Frau Gerhard, Herr Zietsch, und 15 SchülerInnen des 10. Jahrgangs und 2. Semesters.