Im Fach Deutsch setzen wir uns im 3. Kurshalbjahr mit Georg Büchers Dramenfragment „Woyzeck“ auseinander. In diesem Sozialdrama aus dem 19. Jahrhundert spielt der Zusammenhang von materieller Armut und moralischer Integrität eine wesentliche Rolle. Der autobiografische Roman „Ein Mann seiner Klasse“ (2020) des Berliner Schriftstellers Christian Baron behandelt ganz ähnliche Themen – allerdings nicht in einer historischen Kulisse, sondern im Hier und Jetzt. Deshalb haben wir Herrn Baron gleich zu Beginn des Schuljahres zu einer Autorenlesung ins Luise-Henriette-Gymnasium eingeladen.

Für die Veranstaltung am Mittwoch, dem 31.08.22, hatte der Autor die Auszüge aus seinem Roman so gewählt, dass sich ein Lebensweltbezug für die Zuhörerschaft unmittelbar herstellte. Entsprechend konzentriert war die Atmosphäre. Mittels gelesener Passagen und frei gesprochener Einschübe gab Herr Baron uns einen plastischen Einblick in seine Bildungsbiografie, die sich aufgrund seiner sozialen Herkunft sehr schwierig gestaltete. Materielle Armut, häusliche Gewalt, Alkoholismus, Krankheit und der frühe Tod der Eltern, aber auch gesellschaftliche Barrieren machten es äußerst unwahrscheinlich, dass Baron einmal das Abitur ablegen, ein Studium absolvieren und schließlich ein anerkannter, erfolgreicher Journalist und Schriftsteller werden würde. Seine Ausführungen darüber, wie und warum er es dennoch geschafft hat, waren für die Zuhörenden ergreifend und interessant.

Nach der 50-minütigen Lesung hatten sich im Publikum einige Fragen aufgestaut, sodass eine etwa 20-minütige Diskussion folgte. Insbesondere unsere Schülerinnen und Schüler nutzten die Gelegenheit, den Autor persönlich nach seinem Werdegang und seinem Umgang mit der erfahrenen Armut befragen zu können. Nach der offiziellen Beendigung der Veranstaltung stand Christian Baron noch für einige Einzelgespräche zur Verfügung.

Die Veranstaltung hat bei vielen Beteiligten einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen und Anlass für weitere Auseinandersetzungen im Unterricht geboten.