Vor vielen Jahren nahm eine neunte Klasse unserer Schule am Erzählwettbewerb des Tagesspiegels teil – und einer unserer Schüler schaffte es bis ins Finale. Das Konzept gefiel uns so gut, dass wir beschlossen, am Luise-Henriette-Gymnasium genauso einen Erzählwettbewerb einzurichten.

Alljährlich einigen sich Schüler*innen und Lehrer*innen auf ein Thema, das in der Schule ausgehängt wird. Aus den vielen eingereichten Geschichten werden die besten ausgewählt, die dann im Finale vorgetragen werden.  Die Jury muss sich dann für die drei Gewinner*innen entscheiden – keine leichte Aufgabe! Dabei gehen Geschichte und Vortrag zur Hälfte ein.

In diesem Jahr war alles etwas anders und das Thema klar – an Corona kamen wir nicht vorbei!  Es wurden knapp vierzig Geschichten eingereicht, die so schön waren, dass die Auswahl wirklich sehr schwerfiel. Ins Finale kamen:

  • Nisa Yüksel (10a), die uns zeigt, wie schwer es ist, eine große Schwester zu sein. Durch die Pandemie gerät ihre Protagonistin in eine dramatische Situation und muss um das Leben ihres Bruders bangen.
  • Leo Beyer (8a) erzählt, wie zwei Freunde mit den Corona-Regeln umgehen, welche Gefühle dabei ausgelöst werden und wie die Welt dann plötzlich ganz anders aussehen kann…
  • Katja Maxwell (7a) beschreibt eindringlich, wie leer die Welt ist, wenn plötzlich jemand stirbt.
  • Esther Louna Amoah (10 a) schildert, wie eine Krankenschwester, ein Obdachloser und eine Schülerin die Corona-Zeit erleben. Die Geschichten gehen ineinander über und sind sehr berührend.
  • Helen Braune (9c) schildert liebevoll, wie eine ältere Frau ein Nachbarskind beschenkt.
  • Deniz Can (9a) beschreibt, wie die Einsamkeit im Alter unter Corona-Bedingungen noch unerträglicher ist als sonst – aber auch hier bahnt sich eine Freundschaft mit Nachbarn an.
  • Eda Aydin (10 b) schildert die nächtliche Begegnung eines Mädchens und eines Jungen, die sich von Fenster zu Fenster unterhalten. Corona, heißt es, hat viele Menschen einsam gemacht. Ist es hier umgekehrt?
  • Oskar Gendrich (8c) bringt uns den Corona-Alltag zweier Brüder nah, er schreibt so authentisch, dass wir das Gefühl haben, mittendrin zu sein.

Es war leider keine Lesung in der Schule möglich, daher wurde die Präsentation der Geschichten per Video eingeschickt: Die Autor*innen lasen nicht vor dem Publikum, sondern vor ihrem Smartphone.

Die Gewinner*innen 2020 sind:

1. Platz: Esther Louna Amoah

Die Jury: “Die Straßen sind, wie die Tage zuvor, ungewöhnlich ruhig.” Mit dieser Beobachtung beginnt jeder der drei inneren Monologe, die Esther zu einer berührenden, politisch brisanten und hochaktuellen Geschichte verwoben hat. Doch die Perspektiven der drei Protagonisten auf die scheinbar immer gleiche Corona-Situation könnten verschiedener nicht sein. Durch die geschickte Montage und eine große Einfühlsamkeit in die Gefühlslage ihrer Figuren ist der Autorin ein origineller Text mit überraschenden Wendungen gelungen, der sich hinter keiner Maske verstecken muss.

2. Platz: Leo Beyer

Die Jury: Unversehens findet sich der Leser dieses Textes auf der Intensivstation eines Krankenhauses wieder. Durch die Augen des Patienten erkennt man sofort, wie bedrohlich und unübersichtlich die Lage ist. Aber was ist geschehen? Mittels Rückblenden erfährt man in Leos bedrückender Geschichte, wie jugendlicher Freiheitsdrang und die Ausgangsbeschränkungen während der Covid-19-Pandemie ein unheilvolles Gemisch bilden können. Die Erzählung fesselt vor allem durch ihre spannende Dramaturgie. Durch ihr offenes Ende lässt sie einen lange nicht los.

3. Platz: Oskar Gendrich

Die Jury: Lohnt es sich, über so etwas Alltägliches wie das Einkaufen von Brot und Käse eine Geschichte zu schreiben? Und ob! Dass Oskars Erzählung über “einen sonst unbedeutenden Gang” wie ein kleiner Film vor den Augen des Lesers abläuft, liegt nicht nur an den Corona-bedingten Umständen dieses Einkaufs, die alles Andere als gewöhnlich sind. Es liegt vor allem an Oskars lebendiger Sprache und an der Glaubwürdigkeit seiner Figuren. Wenn man später einmal wissen möchte, wie sich das damals angefühlt hat, in den Wochen der Pandemie, dann braucht man nur noch einmal diesen Text zu lesen.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei den wunderbaren Autor*innen, der Jury und dem Fachbereich Deutsch!

Andrea Thiele, Martin Hatzius